Wednesday, 30 November 2011

We Are The Champions, My Friend(s)


As the bus heads back into Germany, it's time for one last journey to round off German Literature Month...
[Hisses, screeches and various high-pitched noises.  Hmm, it appears the simultaneous translation unit on the bus has finally packed up - no wonder after a month's hard work...]

Na ja, weiter geht's.  Kurz vor Beginn des Monats der deutschsprachigen Literatur, hat eine Bloggerin mich aufgefordert etwas auf deutsch zu schreiben.  Natürlich, habe ich die Idee sofort kategorisch abgelehnt, aber da einer unseren Reiseführerinnen, Lizzy, sich an genau diese mutige Tat gewagt hat, musste ich noch einmal darüber nachdenken.  Deswegen (nur deswegen - und zum ersten und allerletzten Mal) gibt es heute in Tony's Reading List eine Rezension in der deutschen Sprache - auch wenn es mir höchstwahrscheinlich nicht ganz fehlerfrei gelingen wird...

*****
Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde ist eine autobiographische Erzählung von Friedrich Christian Delius, der Autor von dem mittlerweile auch in der englischen Sprache ziemlich bekannten Buch Bildnis der Mutter als junge Frau.  Das Ganze spielt sich im Laufe eines einzigen Tages ab, aber es ist kein normaler Tag - denn am 4. Juli 1954 fand in Bern das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft statt, bei dem die Deutsche Nationalmannschaft, die absolute Außenseiter, gegen die legendäre Ungarische Auswahl auftreten musste.

An diesem Tag, wird ein elf-jähriger Junge (vermutlich Delius selber) um sieben Uhr früh von Kircheglocken in der Kleinstadt Wehrda in Hessen plötzlich (und widerwillig) erweckt.  Als der junge Pfarrerssohn zu seinen Sinnen kommt, erinnert er sich an das Endspiel, und danach tut er sein bestes um durch den langweiligen Sonntag zu kommen, bis er sich das Spiel im Radio anhören darf.

Dass ein Junge in die Kirche geht, und danach zweistundenlang vor dem Radio hockt, klingt nicht besonders interessant, aber Delius (natürlich) hat viel mehr zu sagen.  Die Erzählung hat mit einem Wendepunkt zu tun - die Zeit wo die Westdeutschen, vielleicht zum ersten Mal seit dem Ende des Krieges, sich als Sieger fühlen durften.  Für unseren jungen Freund ist es aber auch ein Wendepunkt, da dieser Sonntag der Anfang von einem geistigen Kampf wird.  Der Junge, streng religiös erzogen, wird zum ersten Mal von anderen Göttern versucht - elf Männern und deren Trainer...

Das Thema von Fußball als Religion wird öfters im Laufe der Geschichte erwähnt.  Unser junger Held ist verblüfft als er bei einer Parade des deutschen Torwarts Turek hört:
"Turek, du bist ein Teufelskerl!  Turek, du bist ein Fußballgott!" s.93, Rowohlt (2004)
Zuerst hat der Kerl angst, dass er beim Radio hören sündigt, besonders als der Reporter, erinnernd an den goldenen Kalb, sagt das Turek Gold wert sei.  Allmählich aber, beginnt er richtig mitzufiebern, und bis dem Ende des Buches (und des Spiels), hat der Fußballfan den frommen Pfarrerssohn längst beiseite geschoben.

Dem Reporter hat der Torwart offensichtlich mächtig imponiert, da immer wieder von Turek die Rede ist.   Am Anfang des Spieles, lesen wir wie:
"Er hob seine große, segnende Wunderhände...", s.53
Na ja, dass der Torwart in solchen Worten beschrieben wird, sollte eigentlich keine Überraschung sein - jeder weiß dass Jesus rettet... (Entschuldigung bitte!)

Aber das Spiel wird nicht nur in religöser Sprache beschrieben, sondern auch als ein Art Krieg.  In der Zeitung am Vorabend stehen solche Sprüche wie "Sind die Ungarn zu stoppen?" und "Deutsche Nationalelf will den Himmel stürmen." (s.63/4), und später lobt der reporter die "Angriffsmaschine" (s.93) der Ungarn.  So was kommt ja vor im Sport, aber wenn der Leser das alles vergleicht, mit dem was zu der Zeit draußen in der Welt passierte, ist das einem fast peinlich.  An den Krieg, obwohl er eigentlich längst Geschichte geworden ist, wird man jeden Tag erinnert, entweder von der leeren Stuhl am Tisch beim Essen oder von den vorbeigehenden Amputierten in den Straßen.  Und da die Ostzone "...gleich hinter den nächsten Bergen..." (s.37) ist, ist die Rede von Angriff und Abwehr besonders zutreffend...

Legen wir aber die weitere, weltliche Bedeutung der Behandlung zur Seite, da das Buch genau so viel spricht über die Probleme des Jungens als die der Welt.  Das arme Kind hat etliche Probleme - er hat Schuppen an Knien und Ellenbogen, er ist ziemlich klein und ungeschickt, und (was viel schlimmer ist) er stammelt und stottert.  Für ihn ist das Spiel eine Rettung aus dem alltäglichen Leben, wo Andere für ihn spielen können.  In diesem Hinsicht, erinnert mich Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde an David Mitchells Black Swan Green (obwohl Mitchells Erzählung sich über dreizehn Monaten ausspannt, wo Delius alles in zehn Stunden abspielen lässt).  Es kommt als eine Erleichterung, aber keine Überraschung, als der Junge, ganz im Ballfieber, die befürchtete Silben "zwei zu zwei" leicht aussprechen kann.  Offensichtlich wirkt Ballfieber wie eine Impfung gegen das Stammeln...

Als ich Bildnis der junge Frau als Mutter las, habe ich Delius poetischen Stil sehr genossen, und dieses Werk hat meine Meinung nicht geändert (sondern verstärkt!).  Ich bin wirklich froh, dass ich einen solchen Autor entdeckt habe (na ja, vielleicht wurde er mir eher vorgestellt...), und ich freue mich schon auf das nächste Buch... oder, besser gesagt, Bücher.  Denn ich habe letzte Woche eine Sammlung von drei seiner früheren, politischen Romanen gekauft, und ich schätze, dass das nächste Buch nicht auf sich warten lässt ;)

*****
Und das war es, liebe Freunde - das Monat der deutschsprachigen Literatur ist aus.  Die Reise ist vorbei und unser alter Bus muss dringend zum Werkstatt ;)  Es hat alles enorm Spaß gemacht, und ich habe viele tolle BloggerInnen und Bücher kennengelernt.  Vielleicht nächstes Jahr mal wieder?